Unsterblich?! Gute Gründe für ein Leben nach dem Tod

Werner Huemer: Unsterblich?! Gute Gründe für ein Leben nach dem Tod

Werner Huemer, Komplett-Media, 2015, 396 Seiten, € 24,90

Werner Huemer ist freier Journalist, Autor und Dokumentarfilmer. Er befasst sich vor allem mit wissenschaftlichen und weltanschaulichen Themen. In seinem 2015 erschienenen Buch setzt er sich mit einem der schwierigsten Probleme der Anthropologie auseinander. Es ist dies die Leib-Seele Thematik mit den beiden Fragen: Inwiefern können der Geist und die Seele des Menschen unabhängig von einer Bindung an die neuronalen Netze existieren? Produziert das Hirn das Bewusstsein oder ist es nur Empfänger? Und eine weiterer Fragenkomplex ist damit verbunden: nämlich die Frage der postmortalen Kontinuität des menschlichen Ich über den Tod hinaus.

Das Buch ist kein wissenschaftliches Buch, sondern ein populärwissenschaftliches. Dies tut der Seriosität des Buches jedoch keinen Abbruch, da es geprägt ist von der Frage: Was ist zu der Frage der Unsterblichkeit verantwortbar sagbar? Huemer bedient sich wissenschaftlicher Bezüge und rationaler Reflexion mit einem breiten interdisziplinären und kenntnisreichen Ansatz: Auf der Grundlage der Phänomenologie außergewöhnlicher Erfahrungen, wie z.B. Nahtoderfahrungen, der medizinischen, neurobiologischen, naturwissenschaftlichen (einschließlich Evolutionstheorie und Quantenphysik), der theologischen und vor allen Dingen philosophischen Aspekte führt Huemer sozusagen einen „Indizienprozess“ für die These der postmortalen Existenz des Ich. Man ist fast geneigt – prozesstechnisch gesprochen – festzustellen, dass der Autor aufgrund der überwältigen Indizienlage diesen „Prozess“ gewinnt. Es gibt zwar keinen unabweisbaren Beweis im wissenschaftlichen Sinne für ein „Leben nach dem Tod“. Aber es bestehen begründete Hoffnungszeichen für ein postmortales Sein. Und diese Gründe dürfen als ernsthafte Herausforderung für ein materialistisches Weltbild verstanden werden. Dies scheint mir die Quintessenz des Buches zu sein.
Die Auseinandersetzung führt Huemer in sieben Kapitel:
Kap. 1: Sind alle Lebewesen Sterbewesen?
Kap. 2: Seele – was ist das eigentlich?
Kap. 3: Gibt es überirdische Dimensionen?
Kap. 4: Bewusstsein – das große Rätsel
Kap. 5: Leben nach dem Tod
Kap. 6: Leben vor dem Tod
Kap. 7: Religion und andere Wirklichkeiten
In der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Erkenntnissen und Positionen wird Huemer nie dogmatisch oder gar missionarisch. Er unterscheidet deutlich zwischen Beweisen, Indizien und (wissenschaftlich berechtigter) Spekulation, zwischen dem Gesicherten und dem Hypothetischen. Das Fragezeichen und das Ausrufezeichen hinter dem Titel sind dafür Beleg. Immer wieder betont der Autor: Wir haben keine letzte Gewissheit. Vieles muss zumindest vorläufig offen bleiben. Dennoch verfällt er nicht in eine zeitgeistige Beliebigkeit. Es gelingt ihm, die Balance zu wahren zwischen (reduktionistischer) „Banalisierung“ auf der einen Seite und einer (esoterischen) „Mystifizierung" außergewöhnlicher Erfahrungen auf der anderen Seite.    
Die eigenen Ausführungen werden ergänzt durch Gespräche mit Wissenschaftlern, aber auch mit Menschen mit außergewöhnlichen Erfahrungen. Nicht allem muss man im Detail folgen. Das Buch beginnt mit einem fiktiven Dialog und schließt mit einer Erzählung „Lebensnähe“, in der die Hoffnungszeichen für ein gutes Ende in erzählerischer Form aufgenommen werden: der Tod und die Liebe als Höhepunkt des Lebens.  
Das Buch ist auch für den Laien, der nicht mit der Diskussion der Thematik im Detail vertraut ist, gut lesbar. Es ist nachvollziehbar – wenn auch ein wenig zu bedauern, dass der Autor auf einen umfangreichen Anmerkungsapparat verzichtet hat. Ein knappes Literatur- und Linkverzeichnis gibt dennoch Hinweise darauf, den einen oder anderen Aspekt zu vertiefen.
Ein empfehlenswertes Buch, das einen seriösen und guten Überblick über die Diskussion der über 2000 Jahre alten Leib-Seele Thematik gibt sowie kenntnisreich und engagiert Stellung nimmt. Es sei somit sowohl dem interessierten Laien empfohlen, aber auch dem geistes- und naturwissenschaftlich Geschulten, denn bei aller Expertise in einem Teilbereich, wer ist schon Fachmann in all diesen Gebieten, die in dieser Diskussion berührt werden.

Emmerich am Rhein, 03.01.2016
Alois Serwaty