Die Wirklichkeit des Unmöglichen: Meine Nahtoderfahrung im Irak

Santiago-Verlag

Natalie Sudman, Santiago-Verlag, 2015, 180 Seiten, 17,50 Euro

Nahezu jedes berichtete Nahtoderlebnis ist, vom Blickwinkel unseres menschlichen Standpunkts aus gesehen, hinsichtlich seines Inhalts außergewöhnlich. Das Buch von Natalie Sudman über ihre Nahtoderfahrung im Irak ist nicht nur bezüglich des von ihr Erlebten eine Besonderheit unter den Nahtodschilderungen, sondern weicht auch bei der Form der Darstellung, der Beschreibung, der Analyse und der Interpretation deutlich von zahlreichen anderen Berichten derartiger Erfahrungen ab.

Natalie Sudman arbeitete als Archäologin, bevor sie als Zivilangestellte der amerikanischen Armee, zuständig für Baumaßnahmen im Irak, im November 2007 durch einen Sprengsatz schwer verletzt wurde. Im Buch schildert die Autorin ihr Nahtoderlebnis, das sie im Moment der Explosion hatte, und gibt ihre Gedanken hierzu wieder.

In vielen Nahtodberichten tauchen Elemente wie die Tunnelerfahrung, Wahrnehmung von Trost, Frieden, Geliebtwerden, die Begegnung mit verstorbenen Angehörigen, paradiesische Landschaften usw. auf. Viele dieser "typischen" Nahtod-Merkmale werden von Natalie Sudman entweder gar nicht beschrieben oder nur am Rande erwähnt. Hingegen beschäftigt sie sich ausführlich mit Wesenheiten, denen sie in ihrer Erfahrung begegnet, beschreibt die Kommunikation mit ihnen und den Austausch von Informationen, berichtet eingehend von der "Arbeit" und den verschiedenen Gruppen dieser als "Persönlichkeiten" bezeichneten Wesen, schildert die Zusammenarbeit mit spezialisierten Energiewesen bei der teilweisen Heilung ihres Körpers direkt im Anschluss an die Explosion und die Erfahrung einer tiefen Erholung in einer besonderen Ruhe-Dimension und vieles Ungewöhnliche mehr. Alleine schon die präzise Beschreibung der in ihrer Erfahrung erlebten unterschiedlichen Raumdimensionen und Zeiten und deren Vielzahl von Möglichkeiten würde einem Physiker, aber auch einem Philosophen das Herz höher schlagen lassen. Überhaupt ist Präzision in ihren Schilderungen eine der Stärken der Autorin, ebenso aber auch ihre Fähigkeit der Analyse von Sachverhalten. Durch anschauliche Vergleiche macht sie ihre Erlebnisse und Reflexionen in dem nicht immer einfach zu lesenden Text greifbarer und verständlicher.

Ausgehend von einem nüchtern klingenden Kurzbericht des Erlebten, geht das Buch in den einzelnen Kapiteln auf die Details der unterschiedlichen "Stationen" der Nahtoderfahrung sowie auf die Hintergründe ein. Hierbei setzt sich Sudman auch mit Begriffen wie Schuld und Verantwortung, der Illusion der Welt oder der Gedankenenergie auseinander, unterscheidet das irdische Ich von dem die menschlichen Handlungen anders beurteilenden "Selbst in seiner Ganzheit", erkennt in ihrer Erfahrung die Unendlichkeit des "Alles-was-Ist", der kreativen Kraft allen Seins, und immer wieder kommt sie auf die Wahlmöglichkeiten zu sprechen, die wir Menschen, auch in unserer geistigen Existenz, haben. So erinnert sie sich, dass die Sprengfalle kein Zufall war, sondern sie selbst für sich vor Beginn ihrer "irdischen" Existenz diesen Anschlag gewählt, geplant hatte, um diese Erfahrung zu machen und damit ihrem Leben eine neue Richtung zu geben.

Ich bin froh, dass dieses in den USA erschienene Buch jetzt auch in deutscher Sprache herausgegeben wurde. Auch wenn ich einzelne Passagen zweimal lesen musste, um sie besser zu verstehen, entschädigt das Buch allemal durch seinen bedeutsamen Inhalt, nicht zuletzt aber auch durch seinen immer wieder auflockernden Humor.

Christian von Kamp
im Januar 2016