Nahtoderfahrungen sind nur Halluzinationen?
Eine Stellungnahme von Werner Huemer und Dr. Dr. Wilfried Kuhn
Anfang 2022 wurde in vielen Medien darüber berichtet, dass Ärzte kurz vor dem Tod und noch Sekunden danach bei einem 87-jährigen Mann Hirnströme nachweisen konnten. Das wird in dem Sinne interpretiert, dass man damit Nahtoderfahrungen erklären könne. Ist jetzt erwiesen, dass es sich nur um Halluzinationen handelt? Der österreichische Journalist Werner Huemer („Thanatos-Tv“) sowie Prof. Dr. Dr. Wilfried Kuhn nehmen Stellung.
Hirnaktivität zum Todeszeitpunkt
Eine im Februar 2022 veröffentlichte Studie beschreibt erstmals, welche Veränderungen sich im Gehirn eines sterbenden Menschen zeigen. Um den Todeszeitpunkt konnten rhythmische Hirnwellenmuster dokumentiert werden, die denen ähneln, die während des Aufrufs von Erinnerungen oder während des Träumens auftreten. Diese Beobachtungen gelten nun als mögliche Erklärung dafür, dass es im Rahmen von Nahtoderfahrungen (NTE) zu einer Lebensrückschau kommt. Und sie werden außerdem als Beleg dafür gehandelt, dass NTE vom Gehirn konstruiert werden und also kein Hinweis auf ein Weiterleben nach dem Tod sind. Das Bewusstsein stirbt demnach mit dem Gehirn. Sind solche Schlussfolgerungen zulässig?
Die letzten Sekunden im Leben eines 87-Jährigen
Es ist schwer zu dokumentieren, was beim Tod eines Menschen im Gehirn wirklich passiert. Denn es müsste just zum Todeszeitpunkt eine Elektroenzephalographie (EEG) durchgeführt werden, die Einblicke in die Gehirntätigkeit gibt. Umso größere Aufmerksamkeit erregte der Fall eines 87-jährigen Patienten, bei dem es glückliche Umstände erlaubten, den Todeszeitpunkt mittels EEG zu dokumentieren.
Der alte Mann hatte einen Sturz erlitten, was zu zwei Blutungen zwischen Hirnhaut und Gehirn geführt hatte. Eines der Hämatome konnte behandelt werden, aber nach zwei Tagen verschlechterte sich der Zustand des Patienten, er entwickelte Epilepsien. Um die Anfälle behandeln zu können, setzten Dr. Raul Vincente und seine Kollegen von der Universität Tartu (Estland) ein kontinuierliches EEG ein. Während der Aufzeichnungen traten Herzrhythmusstörungen auf, das Gehirn wurde schlecht versorgt, schließlich starb der Patient an einem Infarkt und wurde – seinem eigenen Wunsch folgend – nicht reanimiert.
Das EEG zeichnete also – soweit bekannt, zum ersten Mal – die Aktivität eines sterbenden menschlichen Gehirns auf, und zwar insgesamt 30 Sekunden über den Todeszeitpunkt hinaus. Dabei zeigten sich kurz bevor und nachdem das Herz aufhörte zu schlagen, ähnliche Muster rhythmischer Gehirnaktivität, wie sie normalerweise bei Träumen, während einer Meditation oder auch bei Erinnerungs-Flashbacks auftreten. Dr. Ajmal Zemmar, Neurochirurg an der Universität von Louisville (USA), der die Studie organisierte, spekuliert, die Daten würden möglicherweise zeigen, dass das Gehirn kurz vor dem Tod letzte Erinnerungen an wichtige Lebensereignisse abrufe, „ähnlich wie bei Nahtoderfahrungen“. Er meint: „Diese Erkenntnisse stellen unser Verständnis davon in Frage, wann genau das Leben endet, und werfen wichtige Folgefragen auf, etwa in Bezug auf den Zeitpunkt der Organspende.“
Außerdem sehen die Wissenschaftler Hinweise darauf, dass das Gehirn während des Todes eine biologische Reaktion organisiert, die nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Tieren zu beobachten ist. Zu dieser Vermutung tragen Forschungsergebnisse bei, die bei Versuchen mit Ratten gewonnen wurden. Bei den Nagern traten unter kontrollierten Laborbedingungen in den ersten 10 bis 30 Sekunden nach Herzstillstand ähnliche EEG-Veränderungen auf, also Kopplungen zwischen Alpha- und Gammawellen, wie sie beim Abrufen von Erinnerungen beobachtbar sind. Demnach könnten auch Tiere zum Todeszeitpunkt einen „Recall of Life“, also eine Lebensrückschau erleben. Das Fazit von Dr. Zemmar, der nun weitere Fälle untersuchen will, ist die Hoffnung, dass der Tod nichts Schlimmes ist: „Etwas, das wir aus dieser Forschung lernen können, ist: Auch wenn unsere Lieben ihre Augen geschlossen haben und bereit sind, uns zur Ruhe kommen zu lassen, spielt ihr Gehirn vielleicht einige der schönsten Momente, die sie in ihrem Leben erlebt haben, noch einmal ab.“
Keine Erklärung für Nahtoderfahrungen
Darin mag man einen gewissen Trost sehen. Allerdings hat die Studie zugleich viele Menschen, die keinem materialistischen Weltbild anhängen, verunsichert. Werden Nahtoderfahrungen also vom (sterbenden) Gehirn produziert? Sind sie doch kein Hinweis auf ein Leben nach dem Tod? Tatsächlich ist die Wissenschaft mit dieser Studie zu den letzten Sekunden im Leben eines 87-jährigen der Erklärung von Nahtoderfahrungen nicht wirklich nähergekommen. Die Annahme, dass NTE auf ein Weiterleben nach dem Tod hinweisen, also die „Überlebenshypothese“, hat noch ebenso viel Berechtigung wie vor dieser Untersuchung.
Denn zunächst einmal wurde nichts anderes festgestellt, als dass es Zusammenhänge zwischen Bewusstseinszuständen und Gehirnaktivitäten gibt. Das ist nicht neu, wir wissen das beispielsweise auch auf Grund von Krankheitsbildern (etwa Demenz). Die Grundfrage aber war und ist, ob das Gehirn Bewusstsein produziert oder nur vermittelt. Denn in beiden Fällen wäre es möglich, von der Gehirnaktivität auf bestimmte Bewusstseinszustände zu schließen. Die Studie liefert keine Daten und Fakten, um diese Frage beantworten zu können. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass der dokumentierte Fall des 87-Jährigen keine ideale Ausgangslage für allgemeine Schlussfolgerungen bietet.
Der Schweizer Sterbeforscher Dr. Reto Eberhard, der sich eingehend mit der Studie befasst hat, weist auf die außergewöhnliche medizinische Situation hin: „Das Gehirn war bereits verletzt, der Patient delirgefährdet und damit mediziert, zudem traten mehrere Epilepsien auf, wobei man wiederum Antiepileptika einsetzte. Schließlich trat der Tod sogar aus einer Epilepsie auf. Man hatte also kein Baseline-EEG vor Todeseintritt.“ Parallelen „zwischen den Beobachtungen bei sterbenden Nagern und nun einem Menschen“ ließen sich zwar erkennen, „daraus aber abzuleiten oder zu hoffen, dass man dem Phänomen der NTE irgendwie auf den Pelz gerückt sei, ist vollkommen unbegründet. Denn dass im Hirn beim Sterbeprozess eine Veränderung vorgehen muss, ist klar. Das wurde nun beobachtet. Aber machen Nager deswegen auch eine hochkomplexe NTE durch, weil sie dieselben Muster wie die Menschen zeigen? Wohl kaum.“
Außerdem weist Dr. Eberhard darauf hin, dass Nahtoderfahrungen erfahrungsgemäß auch im hellwachen Zustand stattfinden können, ausgelöst beispielsweise durch eine lebensbedrohlich erscheinende Situation, etwa dem Sturz von einem Berg: „Es ist ja nicht anzunehmen, dass das EEG eines abstürzenden, aber unverletzten Menschen, der dabei eine NTE macht, zu demjenigen eines Sterbenden passt. Somit ist ein Zusammenhang zwischen den EEG-Veränderungen eines sterbenden Gehirns und einer NTE bereits nicht mehr gegeben, da NTE bei beiden Hirnzuständen auftreten.“ Es sei also nicht einmal eine Korrelation zwischen Nahtoderfahrungen und den Prozessen eines sterbenden Gehirns feststellbar, „was eigentlich das Mindeste wäre, um von einer möglichen Erklärung sprechen zu können“. Auch andere Kernfragen, die durch eine wirkliche Erklärung für NTE beantwortet werden müssten, werden von der Studie nicht berührt. Etwa, aus welchem Grund es zum Todeszeitpunkt zu hochkomplexen Erfahrungen kommt, welcher biologische Vorteil darin liegen könnte.
Dr. Eberhard weist zudem darauf hin, dass die meisten Nahtoderlebnisse Erfahrungen beinhalten, die als „paranormal“ bezeichnet werden: „Dazu zählen verifizierbare außerkörperliche Erfahrungen, veränderte Sinneswahrnehmungen wie Rundumsicht, Telepathie, verändertes Farbspektrum, Telekinese, massiv beschleunigtes Denken, Peak in Darien Phänomene und so weiter.“
Alles bleibt eine Frage des Weltbildes
Die erste Studie zu den Veränderungen im Gehirn eines sterbenden Menschen ist ohne Zweifel wertvoll. Sie weist auf besondere Bewusstseinszustände während des Sterbeprozesses hin und ist damit vielleicht indirekt auch eine Bestätigung für die Realität von Nahtoderfahrungen. Doch sie bietet keine Erklärung für NTE, auch wenn sie von Vertretern des Naturalismus vielleicht so interpretiert wird. Dem in der Wissenschaft verbreiteten naturalistischen Weltbild zufolge ist Bewusstsein nichts anderes als ein Produkt der Gehirnaktivität. Aber auch wenn derzeit niemand versteht, wie aus neuronalen Aktivitäten unsere „Innenwelt“ entstehen soll, also unsere Erlebnis-, Empfindungs- und Erkenntnisfähigkeit, werden Alternativen zu dieser „Erzeugungshypothese“ (mehr als eine Hypothese ist es tatsächlich nicht) kaum ernsthaft in Betracht gezogen.
Eine Alternative zum Naturalismus bietet die Annahme, dass Bewusstsein nicht aus Materie (dem Gehirn) entsteht, sondern umgekehrt die Grundlage für alles und in seinem Wesen immaterieller Natur ist. Diese Annahme erlaubt die Vermutung, dass Bewusstsein auch ohne den Körper, also auch über den Tod hinaus, bestehen kann und vom Gehirn nur vermittelt wird („Transmissionshypothese“). Die paranormalen Aspekte von Nahtoderfahrungen, aber auch einfach die Tatsache, dass es solche komplexen Erlebnisse überhaupt gibt, obwohl darin kein evolutionärer Vorteil liegt, sprechen meines Erachtens eher für nicht materialistische Erklärungsmodelle. (Thanatos-TV Homepage vom 5. März 2022)
Ergänzende Anmerkungen zum Beitrag von Werner Huemer
Prof. Dr. Dr. Wilfried Kuhn, Arzt für Neurologie und Psychiatrie
Zwei Probleme erschwerten bisher die Erforschung physiologischer Veränderungen im Gehirn sterbender Menschen: Zum einen wurden lange Zeit Studien aus ethisch-moralischen Gründen vermieden. Andererseits sind experimentelle Untersuchungen nur eingeschränkt planbar, da der Todeszeitpunkt eines Menschen nur sehr selten eindeutig vorhersehbar ist. Die Notwendigkeit einer exakten Hirntodbestimmung vor Organspenden hat jedoch in den letzten Jahren zumindest einige Studien zur Neurobiologie des sterbenden Gehirns initiiert. Ein weiterer Impulsgeber waren neuen Erkenntnisse über Nahtoderfahrungen (NTE), die u.a. ein Bewusstsein ohne materielle Grundlage nahelegen. Bereits 2009 konnte Chawla et al. (1) bei sieben Menschen auf einer Palliativstation während des Sterbeprozesses eine Hirnstrommessung mittels einer speziellen Monitoring-Einheit (BIS-System) untersuchen.
Bei allen Personen konnte wenige Minuten vor dem Tod eine starke Zunahme der EEG (Elektroenzephalogramm)-Aktivitäten gemessen werden. Eine genaue Analyse dieser „spikes“ konnte zeigen, dass diese durch eine hohe Gammaaktivität (ca. 25 – 100 Hz) erzeugt wurden. Normale EEG-Frequenzen liegen im Bereich von ca. 1 – 20 Hz. In dieser Arbeit wurde auch erstmals über einen Zusammenhang dieser Wellen mit NTE, insbesondere out-of-body-Erfahrungen spekuliert. 2013 konnten Untersuchungen mit Ratten, bei denen ein Herzstillstand künstlich erzeugt wurde, ebenfalls Gammawellen mittels EEG-Messungen nachgewiesen werden (2). Im Unterschied zu der Studie von Chawla entstanden die Gammawellen (25 – 55 Hz) nach dem Herztod über einen Zeitraum von 15 Sekunden. Die Wellen waren synchronisiert, was durch eine vermehrte Kommunikation verschiedener Zellverbände im Gehirn erklärt werden könnte. Diese, wie auch andere Studiendaten legen nahe, dass im Gehirn von Menschen (und auch anderen Säugetieren) während des Sterbeprozesses physiologische Mechanismen ablaufen. Sie stehen letztlich im Zusammenhang mit den neuronalen (Zell)-Veränderungen, wie sie z.B. durch Sauerstoffmangel beim Herzinfarkt induziert werden. An den oben genannten Studien wurde jedoch auch Kritik geäußert. Die verwendeten Messmethoden sind teilweise artefaktanfällig. Es konnte deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass zumindest ein Teil der gemessenen Gammaaktivität auch durch muskuläre Zuckungen mit verursacht wird.
Der aktuelle Fallbericht von Vicente et al. weist einige Besonderheiten auf, welche die Interpretation und Allgemeingültigkeit der Ergebnisse doch relativieren (3): 1. Es handelt sich um eine Einzelfallbeschreibung. 2. Der Patient war Epileptiker und ist während eines dauerhaften epileptischen Anfalls verstorben. Man spricht auch von einem „status epilepticus“, bei dem der Patient bewusstlos ist und sich nach dem Aufwachen an nichts erinnern kann. 3. Des Weiteren wurde der Patient mit Antiepileptika behandelt. 4. Die Ableitung der Hirnströme erfolgte erstmals bei einem sterbenden Menschen mit einem klassischen EEG-Equipment, das die Aktivität über den gesamten Schädel misst (im Unterschied zu (1). Dadurch konnte eine differenziertere Analyse der Hirnwellen erfolgen. Wie auch in den oben erwähnten Studien konnte eine hochfrequente Gammaaktivität nachgewiesen werden. Diese war ca. 11 – 12 Minuten vor dem Herzstillstand besonders ausgeprägt und verringerte sich 2 – 3 Minuten danach wieder, wobei die relative Gammaaktivität (i. Vgl. zur gesamten Hirnaktivität) in der Messzeit von 30 Sekunden nach dem Herztod noch deutlich erhöht blieb. 5. Eine weitere Besonderheit des Studienergebnisses: Es wurden zwei unterschiedliche Gammaaktivitäten gemessen („narrow and broad band“), d.h.: langsame und schnellere Wellen.
Was kann man nun für Schlussfolgerungen aus dieser Publikation ziehen? Die vorliegenden Daten (sowie auch Befunde aus anderen Studien) legen nahe, dass der Sterbeprozess von Gammaaktivitäten im Gehirn begleitet wird. Allerdings sind diese nicht spezifisch für das sterbende Gehirn, sondern treten auch bei Gesunden auf. Es konnte zudem gezeigt werden, dass während eines „status epilepticus“ wie auch durch antiepileptische Medikation Gammawellen im EEG induziert werden können. Dies schränkt die Allgemeingültigkeit der Fallbeobachtung doch erheblich ein.
Die Bedeutung der Gammawellen im gesunden Gehirn ist neurobiologisch noch nicht endgültig geklärt. Zahlreiche Daten belegen jedoch einen Zusammenhang mit vermehrter Aufmerksamkeit, veränderten Bewusstseinszuständen (z. B. Meditation, Träume etc.), aber auch mit Gedächtnisprozessen. Nach neueren Erkenntnissen werden Gammawellen vorwiegend im Hippocampus (Gedächtnisspeicher) erzeugt. Schnelle Gammawellen sollen dabei u. a. für die Speicherung, langsame für den Abruf von Erinnerungen zuständig sein. Es ist deshalb naheliegend zu vermuten, dass der bei NTE auftretende Lebensrückblick durch langsame Gammawellen ausgelöst werden könnte. Das höherfrequente Gammaband könnte evtl. auf den bei NTE auftretenden paradoxen Bewusstseinszustand (klares Bewusstsein, aber nicht wach) und eine damit verbundene Ablösung des Bewusstseins vom Körper (out-of-body) hindeuten. Dagegen spricht jedoch, dass Patienten nach einem „status epilepticus“ noch nie von NTE oder einem Zustand klaren Bewusstseins berichtet haben, weil sie einfach bewusstlos waren und sich nach dem Aufwachen an diesen Zustand nicht erinnern konnten.
Festzuhalten ist zudem, dass die gemessenen EEG-Veränderungen bei noch weitgehend intakten Neuronenverbänden des Gehirns auftraten. Ein irreversibler Zellschaden ist deshalb zu den gemessenen Zeitpunkten noch nicht vorhanden gewesen. Die Messungen erfolgten vor dem Auftreten einer Nulllinie im EEG. Nur in einigen wenigen Fällen wurde eine NTE während einer EEG-Nulllinie (z.B. Pamela Reynolds) beobachtet. Eine länger anhaltende Nulllinie spricht für eine irreversible Hirnschädigung bzw. den Hirntod.
Abschließend gilt: Hirnphysiologische Veränderungen begleiten NTE. NTE sind u.a. durch Todesangst, Sauerstoffmangel und z. B. auch Halluzinogene induzierbar. Prof. Günther Ewald hat bereits vor einigen Jahren auf den Unterschied zwischen den Begriffen „Auslöser“ und „Ursache“ verwiesen. Nach aktuellem Stand der Nahtodforschung ist zwar davon auszugehen, dass neurobiologische Mechanismen den Prozess der NTE triggern (auslösen) können, dass aber der komplette Ablauf von NTE wie z. B. erweiterter Lebensrückblick, out-of-body-Erfahrungen inclusive der damit verbundenen paranormalen Elemente, der Kontakt mit dem mystischen Licht wie auch mit Verstorbenen oder höherenergetischen Wesenheiten dadurch allein nicht erklärt werden kann. Dies insbesondere auch deshalb, da diese nicht alltägliche Phänomenologie der NTE-Elemente durch reduktionistische Erklärungsversuche, wie z. B. Halluzinationen nicht ausreichend begründet werden kann (5).
Denkbar wäre allerdings, dass die gelegentlich kurz vor dem Tod beobachtete „terminale Geistesklarheit“ mit einer vermehrten Gammaaktivität zusammenhängen könnte. Andererseits bleiben wiederum zahlreiche Sterbebettvisionen (SBV), insbesondere die u. a. von Moody und Perry beschriebenen empathischen SBV neurobiologisch unerklärlich (6).
In letzter Zeit wurden NTE durch eine evolutionäre Entwicklung des Gehirns begründet. Es wurde spekuliert, dass NTE sich aus der evolutionär begründbaren Schreckstarre bzw. dem Totstellreflex bei Tieren entwickelt haben. NTE wären somit nur phylogenetische Überbleibsel, die am Ende des Lebens auftreten, sonst aber nutzlos für den Menschen sind, wenn er stirbt. Wie sich die außergewöhnlichen Elemente von NTE evolutionär durch Fortpflanzung (Mutation und Selektion) bei sterbenden Menschen konserviert haben sollen, bleibt jedoch im Dunkeln (7).