Ein Blick auf Federico Faggins „Nousym-Konzept“

Der italienische Physiker Federico Faggin (geb. 1941 in Vicenza) wurde als Erfinder – unter anderem durch die Entwicklung von Mikroprozessoren und Touch-Pads – bekannt und geehrt. An seinem Ziel, einen „bewussten Computer“ zu bauen, scheiterte er. Allerdings führten ihn seine Studien und Überlegungen zu diesem Thema und auch eine tiefe spirituelle Erfahrung zur Überzeugung, dass völlig neue Ansätze nötig sind, um das Wesen des Bewusstseins zu ergründen. Denn der nur quantitativ orientierte Materialismus hat keine Möglichkeiten, die Qualitäten des (menschlichen) Erlebens zu erfassen. Faggins „Nousym-Wissenschaft“ weist den Weg zu einem faszinierenden neuen Weltbild. Ein Überblick. 

Der zunächst vielleicht etwas seltsam anmutende Begriff „Nousym“ drückt die Verbindung von Spiritualität und Wissenschaft aus. Das Geistige („nous“ aus dem Griechischen), das „Innere“, ist in der Lage, Sinn und Bedeutung zu erkennen, also qualitativ zu erleben, während „sym“ für das Äußere steht, für die „Symbole“, also die quantitative Beschreibung der Welt. 

Zugleich beschreibt der Begriff Nousym eine holistische Substanz, aus der alles besteht, wobei die äußere, „symbolische“ Realität aus der inneren, semantischen Wirklichkeit hervorgeht.

Das Rätsel der „Qualia“

Federico Faggin erkannte, das die „klassische“, rein quantitativ orientierte Wissenschaft nicht in der Lage ist, das Phänomen der bewussten Innenwelt zu erklären. „Viele Wissenschaftler würden heute gerne beweisen, dass Bewusstsein und freier Wille aus etwas hervorgehen, das diese Eigenschaft nicht hat“, schreibt Faggin in seinem Buch „Jenseits des Unsichtbaren“ (KOHA Verlag, 2025). 

Er bekennt darin auch, dass er selbst lange Zeit an diese Vorstellung geglaubt habt: Menschen seien im Grunde nur biologische Maschinen, Bewusstsein würde sich aus neuronalen Prozessen entwickeln und könne daher auch durch komplexe Computersysteme generiert werden.„Ursprünglich wollte ich das Bewusstsein studieren, weil ich einen bewussten Computer bauen wollte, um mir selbst zu beweisen, dass Bewusstsein aus einem klassischen Computersystem hervorgehen kann.“

Letztlich scheiterte Faggin an einem zentralen Problem: dem Wesen der sogenannten Qualia. Lebensfreude, Glück, Liebe, Schönheit … Die Gedanken und Empfindungen des Menschen, seine bewusste Innenwelt sind Qualitäten verbunden, für die Wissenschaft und Philosophie zwar einen Begriff – nämlich Qualia –, aber kein Verständnis haben. In der Physik, der Chemie oder der Technologie sind keine Phänomene bekannt, die Qualia erzeugen oder reproduzieren könnten.

Bewusste Roboter oder künstliche Intelligenzen, das Speichern von Erlebnissen, Gedanken oder Erinnerungen in Computern oder das Übertragen von Bewusstsein in technische Systeme – all das gibt es nur in der Science-Fiction und eben in kühnen Vorstellungen materialistisch orientierter Forscher oder IT-Techniker. Aber nicht wirklich.

Doch die nie bewiesene Erzählung, Bewusstsein könne aus körperlichen, materiellen Vorgängen hervorgehen, hat sich so fest in die „kollektiven Gedankenformen“ eingebrannt, dass es besonders tiefer Überlegungen, vielleicht auch besonders tiefer Erlebnisse bedarf, um sich daraus zu befreien.

Federico Faggin hat erkannt, dass Qualia gegenüber allen materiellen Prozessen ein deutliches „Mehr“ darstellen, etwas grundlegend Anderes, das nicht aus einem „Weniger“ entstehen kann. Nur der umgekehrte Weg funktioniert: „Bewusstsein kann nicht aus unbewusster Materie entstehen, während Unbewusstheit als Mangel an Bewusstsein oder als sehr begrenztes Bewusstsein entstehen kann.“

Die Welt lässt sich also quantitativ gut beschreiben. Wissenschaft und Forschung erfassen und gestalten sie sozusagen von außen – höchst erfolgreich! –, aber sie haben keinen Zugang zum inneren (menschlichen) Erleben. Faggin: „Qualia sind nicht von außen sichtbar, und ihre Bedeutung kennt nur der, der sie empfindet.“ 

Die Begriffe sichtbar und unsichtbar beziehen sich auf äußere Beschreibungen, aber Qualia verweisen in den Bereich „jenseits des Unsichtbaren“ (Faggins Buchtitel!), dorthin, wo Informationen von außen bewusst erlebt, wo Sinn und Bedeutung erkannt werden können.

Federico Faggin verdeutlicht wiederholt, dass Qualia und Bewusstsein nichts mit Rechenvorgängen gemein haben, die bestimmten logischen Schemen folgen, um Aufgaben zu lösen: „Qualia sind weder Theoreme noch Algorithmen. Sie sind die Bedeutungsträger.“ Bewusstsein gehe über Algorithmen hinaus, „weil es uns auch ermöglicht zu wissen, dass wir wissen, und zu wissen, dass wir nicht wissen.“

Zu seinen inneren Einsichten und Erkenntnissen kann der Mensch in einer Art und Weise gelangen, die keine Ähnlichkeit mit maschinellem Lernen hat. Es sei ihm beispielsweise möglich, Bedeutungen zunächst nur zu erahnen, ehe er sie zuletzt wirklich erfasst. Qualia, betont Faggin, seien „keine Zahlen, weil sie eine Form der Erkenntnis vermitteln, die nicht die präzisen und bestimmten Merkmale der Messbarkeit von Objekten besitzt. Es handelt sich vielmehr um ein vages und dynamisches Wissen, das beispielsweise die Existenz einer Bedeutung offenbart, die wir zwar erahnen, aber noch nicht vollständig erfassen können.“

Fazit: Die „Intelligenz“ einer Maschine und das Bewusstsein des Menschen sind völlig unterschiedliche, nicht vergleichbare Gegebenheiten.

Ein „neues Postulat des Seins“

In seinem „neuen Postulat des Seins“ geht Federico Faggin davon aus, dass Bewusstsein nicht aus der Materie resultiert – und mehr noch: dass, umgekehrt, die Materie aus Bewusstsein entsteht.

Das ist ohne Zweifel eine revolutionäre Annahme. Und auch eine mutige, da sie wohl gegen das Vorurteil antreten muss, abgehoben-esoterische Schwurbeleien zu befördern. Dabei ist Faggin glaubwürdig weit davon entfernt, wissenschaftliche Erkenntnisse in Frage zu stellen. 

„Nousym“ ist für ihn eine Disziplin, die Wissenschaft und Spiritualität sinnvoll und untrennbar vereint. Er schreibt: 

„Man darf die enormen Errungenschaften und Erkenntnisse der Wissenschaft nicht ignorieren und annehmen, dass die Materie, das heißt, die äußere Realität, sei einfach nur eine Illusion und könne daher außer Acht gelassen werden. In diesem Fall würde man denselben Fehler wie die Wissenschaft begehen, wenn Sie die innere Realität ignoriert und zu dem Schluss kommt, dass das Universum ohne Sinn und Zweck ist. Nur wenn man akzeptiert, dass beide Realitäten koexistieren und sich durch ihren gegenseitigen Einfluss weiter entwickeln, ist es möglich, die Erkenntnisse der äußeren Welt durch die Erkenntnisse der inneren Welt zu vervollständigen. Und das führt zu gegenseitigem Respekt und einem Dialog zwischen Wissenschaft und Spiritualität, der beide bereichert und ihre Vereinigung als nicht reduzierbare und komplementäre Aspekte einer einzigen Realität fördert.“

Faggins „Postulat des Seins“ zufolge gibt es „ein holistisches, dynamisches Ganzes“, ein „Urprinzip“, aus dem Bewusstsein und freier Wille hervorgehen. Alle materialistische Ansätze zur Erklärung von Bewusstsein würden dagegen versagen, da dieses übergeordnet sei: „Ich behaupte, dass Bewusstsein und freier Wille durch kein elementares Konzept erklärt werden können, da es das Bewusstsein ist, das es uns ermöglicht, jegliches Postulat zu verstehen und zu akzeptieren.“

Diese Annahme eines holistischen Ganzen als Urgrund von allem wird interessanterweise von einer besonderen Forschungsrichtung bestätigt, die Medizin, Psychologie und Theologie in sich vereint, nämlich von der Sterbeforschung. Hier kennt man den Begriff der Alleinheits-Erfahrung. Nahtoderfahrene berichten häufig von einer tiefen Verbundenheit mit allem, vom Aufgehen ihres Ichs in der Gesamtheit des Seins, von einer raum- und zeitlosen Wirklichkeit, der gegenüber das Leben in der „Dualität“ wie ein Traum, ein „Sonder-Zustand“ erscheint.

Auch die idealistische Philosophie des niederländischen Informatikers Bernardo Kastrup beschreibt die eigentliche Wirklichkeit als (bewusste) Gesamtheit, das Leben in Raum und Zeit dagegen als vorübergehenden Zustand der Absonderung, Trennung, der „Dissoziation“.

Faggin geht in seinem „Postulat des Seins“ jedoch nicht so weit, Bewusstsein als den Ursprung von allem zu definieren: „Was am Anfang war, wissen wir nicht, denn die Schöpfung ist und bleibt ein unlösbares Mysterium.“

Die Frage, ob das „holistische, dynamische Ganze“, das „Eine“, mit „Gott“ gleichzusetzen ist, wie es manche spirituell orientierten Menschen annehmen, oder ob das Eine einfach das Wesen und Urprinzip der Schöpfung (Gottes) ist, bleibt hier also außen vor.

Das Eine und seine Einheiten

Federico Faggin schreibt dem Einen, dem „Urprinzip“, drei grundlegende Eigenschaften zu: 

„Es ist ganzheitlich, dynamisch und will sich selbst erkennen. Daher stellen Bewusstsein, freier Wille und Leben die Aspekte dar, die das Eine besitzen muss, um sich selbst zu erkennen.

Ganzheitlich bedeutet, dass das Eine nicht aus trennbaren Teilen besteht, das heißt, alles ist in Ihm miteinander verbunden. 

Dynamisch bedeutet, dass das Eine nie dasselbe ist, von einem Augenblick auf den anderen: In Ihm gibt es ein Werden, eine kontinuierliche Entwicklung und ein Wachstum.

Darüber hinaus will das Eine sich selbst erkennen. […] Um sich selbst zu erkennen, muss das Eine Bewusstsein und einen freien Willen haben, […] die Fähigkeit, sich selbst zu kennen und die Fähigkeit, seine Selbsterkenntnis nach Belieben zu steuern.“

Mit diesen Aussagen bietet Federico Faggin einen spirituellen Hintergrund für die wissenschaftliche Evolutionstheorie. Während diese im Wesentlichen das Wie der Entwicklung des Lebens auf der Erde skizziert und vieles dem Zufall zuschreibt, liefert sein Ansatz die Begründung dafür, warum sich alles ereignet.

Faggin geht davon aus, dass der Wille des Einen, „sich selbst unter einem neuen Gesichtspunkt kennenzulernen“, jeweils neue „Bewusstseins-Einheiten“ entstehen lässt. „Das Leben beginnt also durch die generative Eigenschaft des Einen, das sich selbst erkennen will. Jede neue Selbsterkenntnis lässt ein Teil-Ganzes von sich entstehen.“

Dieser Begriff des „Teil-Ganzen“ bringt einen besonders interessanten Aspekt zum Ausdruck: Jeder aus dem Einen entstehende neue Teil enthält, so eigenständig er auch erscheinen mag, „das Potential des Ganzen“. Deshalb beschreibt Faggin die „tiefste Wirklichkeit“ als „holografisch organisiert“: „Das bedeutet, dass jede bewusste Entität als Ganzes alle Eigenschaften des Einen haben muss, aber auch, dass sie als Teil von dem Einen und den anderen Teilen unterscheidbar sein muss.“

Faggin bezeichnet die Bewusstseins-Einheiten als „CUs“ (von engl. „conscious units“) und betrachtet sie ähnlich, wie der deutsche Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) seine „Monaden“ (von griech. „monás = Einheit) beschrieb.

Jede bewusste Einheit könne sich selbst und die Welt mit dem besonderen, einzigartigen Blickwinkel ihrer Identität erkennen. 

Die Existenz der Einheit beginne mit deren Hervorgehen aus dem Einen und zeichne sich durch eine bestimmte Erkenntnisfähigkeit aus. Erkenntnis und Existenz seien daher „zwei Seiten ein und derselben Medaille“.

Das bedeutet: Jede Existenz – und damit auch das Leben in seiner ganzen Vielfalt – führt zu neuer Erkenntnis. Zugleich generiert Erkenntnis aber auch neues Leben. Faggin beschreibt diese Wechselwirkung so: „Wir existieren, um zu erkennen, und jede neue Erkenntnis lässt das, was zum ersten Mal erkannt wird, entstehen. Neues Erkennen bringt neues Leben hervor, und neues Leben bringt neue Erkenntnisse vor, diese beiden generativen Eigenschaften bereichern sich gegenseitig.“

Die Bewusstseins-Einheiten (CUs) und auch das Eine beschreibt Faggin mit dem Begriff „Feld“: „In Analogie zur Quantenphysik gehen aus dem einheitlichen Feld (das Eine) die Felder der CUs hervor, ähnlich wie die Felder der Elementarteilchen.“

Diese Felder können sich zu individuellen Einheiten verbinden, die über Bewusstsein und einen freien Willen verfügen. Für einen solchen Zusammenschluss verwendet Faggin den englischen Begriff „Seity“ (plural: Seities).

Seities haben demnach Identität und Handlungsfähigkeit. Und obwohl es unterschiedliche Quantenfelder gibt – als „die elementarsten Seities“ bezeichnet Faggin das Quantenfeld der Photonen und das der Elektronen –, könnte diese Beschreibung wohl auch definieren, was gemeinhin als „Seele“ bezeichnet wird, oder, den Menschen betreffend, als „seelisch-geistiger Wesenskern“.

Jedenfalls passt auch diese Definition von Bewusstseins-Einheiten, die trotz ihrer Individualität immer auch „das Potential des Ganzen“ in sich tragen, gut zu den Berichten Nahtoderfahrener. Denn diese erleben sich in der „Alleinheits-Erfahrung“ zwar als Individuum, zugleich aber mit allem verbunden, als Ausgangspunkt von allem. Sie erleben sich vom Licht umhüllt und zugleich als Ursprung des Lichts; als fragendes, zu weiterem Wissen strebendes Einzelwesen und zugleich als Gesamtheit des Wissens.

Die „Alleinheit“ wird dabei als das Ursprüngliche erlebt und von Nahtoderfahrenen oft als Empfindung von Heimat beschrieben. Zugleich aber erkennen sie den besonderen Sinn des „getrennten“ oder „dualistischen“ Lebens in der physischen Welt. Denn bestimmte Erfahrungen, die der Entwicklung des Bewusstseins dienen, lassen sich nur so – als Individuum, als „Teil-Ganzes“ – gewinnen. 

„Die Seities kommunizieren miteinander, um sich kennenzulernen, und durch diesen Prozess lernt das Eine sich selbst kennen“, formuliert Faggin. „Man kann also sagen, dass sich die Schöpfung durch das Eine, die bewussten Einheiten und die Seities in ständiger Evolution befindet.“

Das „Eine“ und seine Einheiten: Die hier bisher skizzierten Erklärungen und Schlussfolgerungen aus Federico Faggins „Postulat des Seins“ berühren freilich nur indirekt die physische Welt. Wie auch religiöse oder spirituelle Konzepte bieten sie Antworten auf die Fragen nach dem großen Warum, nach dem Sinn des Lebens. Aber ohne ein Gesamtbild, das einen umfassenderen Anschluss an wissenschaftliche Erkenntnisse gewährleistet und ohne einen „Rahmen“ würden sie ähnlich in der Luft hängen wie beliebige andere „Glaubensgebäude“. 

Die Nousym-Wissenschaft stellt einen solchen Rahmen vor. 

Der „CIP-Rahmen“ für ein Weltmodell

In seiner beeindruckenden Symbiose von Wissenschaft und Spiritualität beschreibt Federico Faggin die bewusste Erfahrung als „die grundlegende Realität“. Die Materie sei, „bildlich gesprochen, die Tinte, mit der das Bewusstsein […] Selbsterkenntnis aufschreibt“.

Den Raum der subjektiven, bewussten Erfahrung bezeichnet er als den „C-Raum“ (von engl. Consciousness = Bewusstsein). Die physische Realität, also die „objektive Äußerlichkeit des Universums, die mit anderen geteilt werden kann“, nennt er den „Informations-Raum“ oder „I-Raum“. Beide Räume seien „eng miteinander verbunden“. Der C-Raum und der I-Raum seien „wie zwei irreduzible Seiten derselben Medaille“.

Zudem definiert Faggin allerdings noch einen dritten „Raum“, einen besonderen, eingeschränkten Erfahrungsraum, der innerhalb der physischen Realität erlebt wird. Er nennt ihn den „P-Raum“ und meint damit im Wesentlichen die Wirklichkeit, die wir Menschen tagtäglich mit unserem Körper erleben. 

Denn hier erleben wir weder den „C-Raum“, also das umfassende Bewusstsein unseres spirituellen Kerns, noch können wir alle Informationen des „I-Raums“, also der tatsächlichen objektiven physischen Realität, wahrnehmen.

Faggin: „Wir wissen […] nicht, wie die physische Welt des I-Raums tatsächlich aussieht, denn das, was wir beobachten, ist nur ein sehr kleiner Teil der Informationen, die darin existieren.

Diese Informationen werden von unseren Sinnen und unserem Nervensystem […] umgewandelt.“

Demzufolge ist „der P-Raum zum Beispiel eines Insekts oder eines Fisches völlig anders […] als der unsere“.

Die hier kurz skizzierten drei Räume, den C-, den I- und den P-Raum, beschreibt Federico Faggin in ihrer Gesamtheit als den Rahmen für ein Weltmodell, den er „CIP-Rahmen“ nennt.

Im Wesentlichen bringt er damit zwei Gegebenheiten zum Ausdruck: 

Erstens, dass die subjektiv erlebte Wirklichkeit nicht der objektiven physischen Realität entspricht – was (selbst-)kritisch denkende Menschen wohl ohne weiteres bestätigen werden und wissenschaftlich ein Faktum ist: die Welt ist nicht wirklich so, wie wir sie wahrnehmen.

Zweitens verdeutlicht das CIP-Konzept, dass das bewusste Erleben im Alltag, also das an die Gehirntätigkeit gebundene „Wach-Bewusstein“, nur ein Fragment des eigentlichen Bewusstseins ist. Das wiederum bestätigen Bewusstseinsphänomene, wie sie viele Menschen bei spirituellen Erfahrungen, zum Beispiel Nahtoderfahrungen erleben. Sie berichten von einem erweiterten Bewusstsein, das ihnen raum- und zeitlos erscheint und das mit „Supersinnen“ verbunden ist. Beispielsweise erleben sie eine 360-Grad-Rundumsicht, oder sie haben die Fähigkeit, die Gedanken, Empfindungen und Erinnerungen anderer wahrzunehmen.

Im Grunde entspricht Faggins CPI-Rahmen also jenen spirituellen Konzepten, die davon ausgehen, dass der Mensch in seinem physischen Körper und die Rolle, die sein individuelles „Ego“ in der Gesellschaft spielt, nur ein vorübergehendes, sterbliches „Konstrukt“ ist, während sein eigentliches, seelisch-geistiges Wesen – hier die „Seity“ genannt – unsterblich jenseits von Raum und Zeit besteht.

„Das Ego ist ein Fragment des Bewusstseins der größten Entität, die wir sind, die Seity“, definiert Federico Faggin – und weist zugleich auf den großen, heute weit verbreiteten Irrtum hin, der mit dem Erleben des „Ego“ einher gehen kann. Nämlich, dass dieser „Teil der Seity“ annehme, er selbst sei der Körper und „der P-Raum sei alles, was existiert. […]

Wenn wir glauben, dass der P-Raum die einzige existierende Wirklichkeit ist, dann schreiben wir am Ende unserem Körper das Bewusstsein zu. Das ist ein ebenso großer Irrtum wie der Glaube, dass ein Avatar sich der virtuellen Welt, in der existiert, bewusst ist.“

Wenn das Ego glaubt, der Körper zu sein, verliere es „den Kontakt zu seiner umfassenderen Realität des C-Raums. Wenn es glaubt, alles, was existiert, sei die physische Welt in der Raum-Zeit […], vergisst das Ego seine tiefere Realität.“

Von der Quantenphysik zur „QIP-Theorie“

„Im Jahr 2012 hatte ich den CIP-Rahmen konzipiert und war überzeugt, dass das Bewusstsein ein grundlegendes Phänomen sein müsste“, erzählt Federico Faggin in „Jenseits des Unsichtbaren“. Auch sei ihm klar gewesen, dass es einen Zusammenhang mit Erkenntnissen aus der Quantenphysik geben müsse, also mit jenen Vorgängen auf subatomarer Ebene, die mit der klassischen Physik nicht erklärbar sind.

Aber wie genau und wie konkret stellt sich dieser Zusammenhang dar?

Einen Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage bietet die Erkenntnis, dass die physische, materielle Welt in ihrem Innersten keine Materie ist. Viele Vorgänge auf subatomarer Ebene sind nicht mehr konkret, sondern nur mathematisch fassbar, und zwar im Sinne einer Wahrscheinlichkeit.

Und wenn nun die Wahrscheinlichkeit, aus der letztlich Materieteilchen hervorgehen, von Information begleitet wird? 

Federico Faggin war, als er seinen „CIP-Rahmen“ entworfen hatte, davon überzeugt, dass die „physische Wirklichkeit Informationscharakter“ hat. Aber erst als er die Arbeit eines anderen italienischen Physikers, Giacomo Mauro D’Ariano (geb. 1955), kennenlernte, fand er sich endgültig bestätigt. Denn D’Ariano und seine Mitarbeiter hatten zeigen können, dass sich, wie Faggin deren „außergewöhnliche Arbeit“ zusammenfasst, „die Quantenphysik aus sechs vollständig auf Information beruhenden Postulaten ableiten lässt“.

Demnach ist Quanteninformation grundlegend für die Quantenphysik. 

Der Begriff Quanteninformation weist auf eine besondere Art der Information hin, die beispielsweise nicht auf klassischem Weg übertragen werden kann. Sie zeigt sich bei Phänomenen wie den sogenannten „verschränkten Teilchen“. Wie quantenphysikalische Experimente bestätigt haben, reagieren solche Teilchen unter bestimmten Bedingungen instantan, also unmittelbar aufeinander, ohne jede zeitliche Verzögerung, unabhängig davon, wie weit sie voneinander entfernt sind.

Faggin kam zum Schluss, „dass sich die Quantenphysik aus der Quanteninformation ableitet. […] Daraus folgt wiederum, dass nicht die Physik, sondern die Quanteninformation grundlegend ist.“

Ehe Federico Faggin seinen italienischen Forscherkollegen persönlich kennenlernte und gemeinsam mit ihm eine neue Theorie entwickelte, war Giacomo Mauro D’Ariano zwar auch vom fundamentalen Stellenwert der Quanteninformation für quantenphysikalische Vorgänge überzeugt, aber ein wichtiger Zusammenhang hatte ihn bis dahin – im Gegensatz zu Faggin – in seinen Forschungen nicht beschäftigt: die Verbindung zwischen Information und Bedeutung.

Kein Wunder: In der Physik gibt es kein Konzept zum Erkennen von Bedeutung in einer Information. Der Begriff „Sonnenuntergang“ beispielsweise enthält die gleichen Buchstaben (hier als für Symbol „Information“ gedacht) wie das Wort „Gonensternungan“, aber die Bedeutung der Information „untergehende Sonne“ erschließt sich einem Menschen unmittelbar, und es verbinden sich damit Bilder, Empfindungen, Eindrücke, Erinnerungen. 

Information und Bedeutung sind also zweierlei. In einer Information Bedeutung zu erkennen, ist eine Leistung von Bewusstsein.

„Die Quanteninformation, mit der sich da D’Ariano beschäftigte“ erinnert sich Faggin, war „eine abstrakte Information ohne Bedeutung“. Er selbst sei indes davon überzeugt gewesen, dass Bewusstsein und Bedeutung fundamental sein müssen. Denn nur im Bewusstsein, „das seinen Zustand in Form von Qualia erlebt“, könne Bedeutung existieren.

Intuitiv und auch, wie er schreibt, geleitet von seinen „außergewöhnlichen Bewusstseinserfahrungen“, erkannte Faggin einen Zusammenhang: Qualia betreffen das rein subjektive Erleben und sind nicht übertragbar, und auch Quanteninformation kann – im Gegensatz zur klassischen Information – nicht reproduziert werden.

Die mögliche Verbindunge von Physik und Bewusstsein führte letztlich zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit. D’Ariano, der Experte für Quanteninformation, und Faggin, der auf der fundamentalen Bedeutung der Qualia aufbauen wollte, entwickelten gemeinsam die „QIP-Theorie“. Diese erklärt, „dass die Quanteninformation, von der sich die Quantenphysik ableitet, die selben drei grundlegenden und außergewöhnlichen Eigenschaften hat wie die Qualia: sie ist ein klar definierter, privater (das heißt nicht reproduzierbarer) Quantenzustand“.

Vereinfacht ausgedrückt, beschreibt die QIP-Theorie einen direkten Bezug zwischen Quanteninformation und Qualia, also zwischen den Vorgängen im subatomaren Bereich und Bewusstsein – wobei dieses als grundlegend betrachtet wird. Die „Existenz reiner Quantenzustände“ sei die „Folge der Existenz von Qualia […], die eine Eigenschaft des Bewusstseins sind“.

Nach der QIP-Theorie ist Quanteninformation nichts anderes als „die Qualia bewusster Entitäten […], die sich selbst kennenlernen wollen.“ Diese bringen Quantenstrukturen hervor, „die in der Raumzeit individuell miteinander reagieren“, also Elementarteilchen, Nukleonen, Atome, Moleküle, Makromoleküle, kurz gesagt: Materie. 

Faggin ist davon überzeugt, „dass die Quantenphysik nicht die äußere Realität beschreibt, sondern die innere Realität, die wir in unserem Bewusstsein erleben und aus der die äußere Realität hervorgeht“.

Diese radikal neue Gesamtschau kommt auch in der Bezeichnung „QIP“ zum Ausdruck. Die drei Buchstaben stehen für „Quantum Information Panpsychism“. 

Federico Faggin und Giacomo Mauro D’Ariano postulieren damit im Wesentlichen, dass Bewusstsein eine grundlegende Eigenschaft der gesamten Realität ist (= Panpsychismus) und auf Quanteninformation beruht.

„Innen und außen sind nicht getrennt“

Die QIP-Theorie stellt einen Bezug zwischen innen und außen her. Sie besagt, dass die physische Welt sich aus der Innenwelt heraus bildet.

Faggin zufolge bezieht sich die Quantenphysik „auf eine umfassendere […] innere Realität, aus der die äußere, mit anderen teilbare […] Realität hervorgeht. Das heißt, die Quantenphysik beschreibt nicht die physische Wirklichkeit in der Raumzeit, wie man früher dachte, sondern die Innerlichkeit des Universums.

Allerdings sei es ein „überholtes Konzept“, „innen“ und „außen“ als getrennt zu denken. Die Trennung sei nur eine Illusion der Wahrnehmung. „In einer holistischen Wirklichkeit“ kommuniziere beides „ohne jegliche Schranken“ miteinander.

Die Innerlichkeit des Universums bringe „lebendige Information in der Raum-Zeit hervor, die der Ursprung sowohl der lebenden Organismen als auch der klassischen Physik ist.“

Im Grunde entwickle sich alles – also die Gesamtheit der „CIP-Räume“ – aus dem Willen des Einen, sich selbst zu erkennen. Das, was im Bewusstsein empfunden wird, forme die physische Welt. Nach Faggin ist die „Bedeutung der Erfahrung“ der bewussten Einheiten, also der Seities, die „tiefste Realität des Universums“. 

Die bewusste und über freien Willen verfügende „Seity“ definiert Faggin als „das Quantenfeld, das den Körper kontrolliert“; den Körper als „eine klassische Quantenstruktur, die in der Raumzeit existiert und als Brücke zwischen der inneren Welt, in der die Seity existiert, und der von der klassischen Physik beschriebenen äußeren Welt fungiert.“

Die Elementarteilchen, die „die äußere Welt in der Raumzeit definieren“, seien „Symbole, die die Seities zum Kommunizieren der Bedeutung des in ihrem Bewusstsein Empfundenen verwenden“. 

Die äußere Welt ist demnach in ihrem Wesen symbolisch. Sie symbolisiert Bedeutungen, die in einer tieferen Wirklichkeit existieren.

Als Gesamtbild für das Weltgeschehen oder die Schöpfungsentwicklung lässt sich demnach grob skizzieren: Der Wille des Einen, sich selbst unter immer neuen Gesichtspunkten kennenzulernen, führt zu Bewusstseins-Einheiten, die freien Willen haben, Erfahrungen machen und – in Form von Qualia – deren Bedeutung erleben. Sie kommunizieren miteinander durch Symbole ihrer Bedeutung, und dieser „innere“ Vorgang formt und entwickelt die „äußere“ Welt.

Federico Faggin vermutet auch einen Zusammenhang zwischen der wachsenden Erkenntnis des Einen und der Expansion des Weltalls: „Ich denke, wenn sich die Erkenntnis des Einen nach und nach immer weiter ausdehnt, schafft sie neuen Raum, der vorher nicht existierte. Ich beziehe mich auf das, was wir als physischen Raum beobachten, der sich immer weiter ausdehnt. Wie das vor sich geht, muss erst noch herausgefunden werden.“

Jedenfalls könnte die Annahme, das ganze Universum sei der „Ausdruck eines bewussten, schöpferischen Seins“ nach Faggins Meinung viele derzeit in der Wissenschaft noch offene Fragen  klären helfen: „Es sei darauf hingewiesen, dass es der Physik noch nicht gelungen ist, die allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantenphysik zu vereinen, obwohl in den letzten 50 bis 60 Jahren enorme Anstrengungen in diese Richtung unternommen worden. Ich hoffe, dass das Postulat des Seins und der CIP-Rahmen als Inspiration für eine völlig andere Perspektive dienen können, die nicht nur Inneres und Äußeres vereint, sondern auch neue Konzepte hervorbringt, die eine Zusammenführung der Physik selbst ermöglichen.“

„Wir sind Bewusstsein“

Es ist ein faszinierendes neues Weltbild, zu dem Federico Faggins „Nousym-Wissenschaft“ den Weg weist: „Wir sind keine Maschinen. Wir sind nicht Körper mit Bewusstsein. Wir sind Bewusstsein – das sich vorübergehend als Körper erfährt.“

Nicht von ungefähr erinnert manches in seinen Konzepten an die Erlebnisse und Erkenntnisse Nahtoderfahrener: Das Leben hat einen tiefen Sinn, es dient – in all seiner Schönheit und in all seiner Dramatik – der Erkenntnis und der Entwicklung von Bewusstsein. 

Dabei hat die Liebe, die in Nahtoderfahrungen als zentral, allumfassend und bedingungslos erlebt wird, auch für Faggin eine herausragende Bedeutung: „Ich stelle mir die Liebe als den grundlegenden Aspekt der Erkenntnis und der Existenz vor, aber sie ist auch die treibende Kraft, die uns zur Erkenntnis drängt, die zur Einheit mit dem Ganzen führt. Ich denke, die Liebe ist die Quelle aller expansiven und verbindenden Gefühle und Impulse, die wir empfinden: Begierde, Neugierde, Zusammenarbeit, Leidenschaft, Freude, die Freude am Zusammensein, Humor, Kunst, Musik und so weiter sind alles Formen der Liebe.“

Liebe als schönster Ausdruck des Verbindenden, des Eins-Seins – und vielleicht lässt sich Bewusstseinsentwicklung an sich auch als Entwicklung in und zur Liebe begreifen …

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